Das Projekt afrika-hamburg.de lud 2004/2005 ein, auf dieser Webseite über die beinahe vergessene Kolonialgeschichte Hamburgs zu debattieren. Impulsgeber war eine 'Hamburgensie': das umstrittene Wissmann-Denkmal, das die bildende Künstlerin Jokinen aus dem Keller holte, an den Landungsbrücken lüftete und dem Licht der zeitgenössischen Öffentlichkeit aussetzte. Das beteiligungsorientierte Projekt ging nach 14 Monaten zu Ende, das Denkmal wurde wieder eingelagert. Mehr zum Projekt

Das bronzene Wissmann-Kolonialdenkmalensemble hat eine in der Tat bewegte Geschichte: ursprünglich an einem Standort am Hafen in Dar es Salaam vermeintlich für die "Ewigkeit" geschaffen, ist es zwischen den Kontinenten bewegt worden, und die Sockelskulptur Wissmanns wurde mehrfach gestürzt. An ihrer beschädigten Oberfläche können die Spuren der gesellschaftlichen Auseinandersetzung abgelesen werden. Diese Dekonstruktion setzte das Projekt afrika-hamburg.de partizipativ fort, indem es einen Nachdenkmalraum in der Stadt schuf und ein Online-Debattenforum an dieser Stelle. In der augenscheinlichen Gebrochenheit wurde das Denkmal erneut zu einer öffentlich diskutierten Figur.

WAS BLEIBT?

Über 5.600 Menschen haben auf dieser Webseite abgestimmt, was mit dem Wissmann-Denkmal künftig geschehen soll. In über 800 Textbeiträgen wurde die Kolonialgeschichte kontrovers debattiert Debatte. Diese und 300 weitere Ideen geben Zeugnis davon, wie das Thema die Gemüter bewegt hat. 200.000 bis 300.000 Menschen haben sich das Denkmal vor Ort genauer angeschaut, die Phototafel studiert und die Infotafel gelesen.

95 % aller Beteiligten sind der Auffassung, dass das Wissmann-Denkmal nicht wieder in den Keller gebracht werden soll. Unbeliebte Denkmäler sollen nicht versteckt werden, sondern sichtbar bleiben, um weiter diskutiert zu werden. Viele wollen sich an ihnen 'reiben', um sich erinnern zu können. Trotzdem musste nach der städtischen Vorgabe das Wissmann-Denkmal wieder im Keller deponiert werden. Die Auseinandersetzung mit Hamburgs Erinnerungskultur und einem adäquaten postkolonialen Umgang mit den abgelegten Hamburger Kolonialdenkmälern wird aber fortgesetzt.

afrika-hamburg.de ist eine Arbeit der bildenden Künstlerin Jokinen in Zusammenarbeit mit den Veranstaltern CulturCooperation e.V., dem Eine Welt Netzwerk und der Arbeitsgruppe hamburg-postkolonial. Zahlreiche Menschen gestalteten das Projektergebnis: die Kommunikationsspuren, die die Beteiligten auf dieser Webseite in der Abstimmung und im Debattenforum hinterlassen haben.

Das Projekt fand im Rahmen des Programms 'Kunst im Öffentlichen Raum' der Kulturbehörde Hamburg statt sowie in der Reihe weiterer kulturellen Aktionen, die unter dem Titel Vom Togokai zum Tanzaniapark - Hamburg postkolonial in den Jahren 2004/2005 realisiert wurden. Diese Veranstaltungen gedachten dem Völkermord der deutschen 'Schutztruppe' an den Herero und Nama 1904 in der damaligen Kolonie 'Deutsch-Südwestafrika' (heute Namibia) und der Niederschlagung des Maji-Maji-Krieges 1905 in der einstigen Kolonie 'Deutsch-Ostafrika' (heute Tanzania, Ruanda, Burundi). Sie machten ein weithin unbekanntes historisches Kapitel zum Thema: die zentrale Rolle Hamburgs als Drehscheibe des deutschen Kolonialismus. Diese Arbeit wird aktuell vom Arbeitskreis Hamburg Postkolonial fortgesetzt.

WIE WEITER?

Hamburg, die Stadt der überseeischen Handelsherren, hat eine ausgeprägte Kolonialgeschichte, die sich insbesondere im Stadtbild in Denkmälern, Gebäuden und Straßennamen u.a.manifestiert. Doch im öffentlichen Bewusstsein herrscht nach wie vor viel Unkenntnis über dieses verdrängte Kapitel der Stadtgeschichte. Bis heute wird die 400 Jahre währende Kolonialgeschichte, u.a. die Beteiligung der Hamburger Kaufleute am transatlantischen Sklavenhandel, an Schulen wenig gelehrt und in kaum einem Geschichtsbuch kritisch hinterfragt. Bisher gibt es in Hamburg keine postkolonialen Erinnerungsorte. In den Köpfen wirken häufig (neo)koloniale Muster und Vorurteile nach.

Hamburg ist eine neue Städtepartnerschaft mit der tansanischen Hafenstadt Dar es Salaam eingegangen. Dabei fällt auf, dass der Umgang mit dem sogenannten 'Tansania-Park' in Hamburg-Jenfeld noch lange nicht ausdiskutiert ist. 2006 wurde in Wandsbek gar ein neues Denkmal für den Sklavenhändler Heinrich Carl Schimmelmann errichtet (s. auch Proteste). In ungebrochener Tradition und trotz aller Kritik wurden in der Hafencity neue Straßen nach Welteroberern und im 'Überseequarrtier' neue Gebäude nach Kolonialwaren benannt.

Wir brauchen eine Gedenkkultur, die kritisch beleuchtet und aufklärt. Was und wie kann ein angemessenes postkoloniales Denkmal sein? Sollen mehrere Erinnerungsorte mit unterschiedlichen Schwerpunkten entlang der vielen kolonialen Spuren im Stadtraum angelegt werden? Auch ein Park Postkolonial, ein Areal in der Hafencity oder an einem anderen Ort im Stadtraum, indem alle Hamburger Kolonialdenkmäler versammelt und arrangiert werden?

Diese Website bleibt im Netz und wird nach der Projektlaufzeit ab Dezember 2005 um neue Themen ergänzt. Aktuelle Seiten und Themen unter:

Mehr Bilder vom Hafentor, wo das Wißmann-Denkmal im Rahmen des Projekts 'afrika-hamburg.de' vom Oktober 2004 bis November 2005 schwebte und stand
 

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