20.07.2015
 
20 Jahre unkommentiert?
Der lange Weg zum angemessenen Umgang mit den
NS-Kolonialdenkmälern in Hamburg-Jenfeld
 
Die Askaris, ich meine, wenn man die deutsche Kolonialgeschichte betrachtet, ist es natürlich so: Wenn wir Deutschen in der letzten Phase der Kolonialzeit so abschreckend auf die Leute gewirkt hätten, hätten sie wahrscheinlich nicht mit Lettow-Vorbeck bis zu letzten Stunde gekämpft, das muss man einfach sehen. Horst Junk, ehemals Vorsitzender des Kulturkreises Jenfeld 1)
 
Die Askari in der deutschen 'Schutztruppe' nannten Lettow-Vorbeck "Herr, der unser Leichentuch schneidert".
 
---------
 
In Reih‘ und Glied marschieren die afrikanischen Söldner gehorsam 'ihrem' weißen Führer hinterher. So wünschte es sich einst die Koloniallobby, und so setzten die Nationalsozialisten den Mythos von der vermeintlichen 'Treue der Askari' ins Bild. Seit 2003 steht das restaurierte 'Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal 1914-1918' im sogenannten 'Tansaniapark' in Hamburg-Jenfeld herum. Doch es ist nicht General Lettow-Vorbeck, der hier die 'Schutztruppe' führt, sondern ein deutscher Unteroffizier. Auf dem zweiten Relief ein bewaffneter Askari, der einer Gruppe erschöpt wirkender Träger zeigt, wo es lang geht. Die Terrakottareliefs wurden vom Bildhauer und Adjutanten Lettow-Vorbecks, Walter von Ruckteschell gestaltet.
 
Ursprünglich gehörten die beiden überlebensgroßen NS-Kolonialreliefs zu einem Denkmalensemble in der 1934 erbauten Lettow-Vorbeck-Kaserne. Sie standen am Eingang zum ‘Kleinen Exerzierplatz‘, auf dessen Hausfassaden sieben Büstenreliefs der Kommandeure der deutschen Kolonialtruppen in Ostafrika abgebildet sind. Weitere vier Reliefs an zwei Wänden zeigen Gewehre, Bajonette, Messer, Stahlhelme, Munitionstaschen, Gasmasken, Handgranate und weiteres Kriegsgerät. Lange Zeit leisteten die Bundeswehrsoldaten Dienst in dieser NS-kolonialrevisionistischen Umgebung, mehr noch: die ‘Traditionsgemeinschaft des Infanterieregiments I.R. 69‘ widmete sich ganz ungebrochen einer alljährlich ehrenden ‘Traditionspflege‘ vor den Denkmälern. 1992 hielt Brigadegeneral a.D. Klaus Vollmer eine Rede vor den Reliefs. Sein Opfergedenken weitete sich auf alle deutschen Soldaten, “die durch Kriegseinwirkung in Übersee ihr Leben verloren haben.“ 2)
 

(Photos: Jokinen)
 

Oben: Wall of Colonial Fame - das Fassadenporträt des Kolonialgenerals Lettow-Vorbeck, nach dem auch die Jenfelder Kaserne benannt ist. Auf dem Bild rechts sind die Reliefs zu sehen, wie sie früher am Eingang zum 'Kleinen Exerzierplatz' standen.
Unten: 'Traditionspflege' der Bundeswehr vor dem kolonialrevisionistischen 'Schutztruppen-Ehrenmal', hinter den Soldaten die Kränze des 'Traditionsverbands' und des 'Deutschen Afrika-Korps'.
 

 
 
Zwölf Jahre währende Auseinandersetzung
 
Als die Bundeswehr 1999 die Kaserne verließ, griffen rechte Vereine schnell zu: der 'Bund für Denkmal-Erhaltung', dessen Vorsitzender der ehemalige 'Afrika-Korps-Kämpfer' Hansjoachim Prahl war, lagerte die Jenfelder Reliefs in der Villa des Militariasammlers Peter Tamm an der Elbchaussee ein. Der kolonialrevisionistische 'Traditionsverband ehemaliger Schutz- und Überseetruppen, Freunde der früheren deutschen Schutzgebiete' beteiligte sich finanziell an der Restaurierung der Terrakottafiguren. Derweil schlug der Kulturkreis Jenfeld die Aufstellung am Jenfelder Markt vor mit der Begründung, der Stadtteil sei arm an Denkmälern. Als diese eigenartige Idee nicht so recht zündete, sollten die Reliefs in einem neu anzulegenden Park aufgestellt werden. Dort wollte der Kulturkreis, unterstützt vom Honorarkonsul von Tansania Jürgen Gotthardt, auch den Pavillon Tansanias von der EXPO 2000 in Hannover aufbauen, in dem sich - so die skurrile Vorstellung - Hamburger Tansania-Initiativen vorstellen sollten.
 
Auch Hamburgs Kulturbehörde befürwortete die Idee eines Parks, obwohl noch kein Erinnerungskonzept für die Denkmalanlage vorlag. 2003 sorgten die Stakeholders um den Kulturkreis Jenfeld vorzeitig für vollendete Tatsachen: die Reliefs wurden eigenmächtig aufgestellt, die Geranienbeete waren schnell gepflanzt. Mit einer hohen Umzäunung des Areals und einer festen Bodenverankerung der Reliefs habe der Parkgestalter "rot-grünen Attacken 'vorgebaut'", frohlockte das 'Ostpreussenblatt'. 3) Der Vereinsvorsitzende Horst Junk eröffnete den 'Tansaniapark' in Anwesenheit von Männern, die nach eigener Aussage in Afrika "unter Rommel gedient" 4) hatten. Der tansanische Premierminister Frederick T. Sumaye sagte sein Erscheinen kurzfristig ab. Die Gestaltung der Anlage, so Tansanias Staatspräsident später, sei "zu eng, um den Reichtum der Beziehungen beider Länder zu reflektieren" 5). Schill-Bausenator Mario Mettbach, einer der Initiatoren, erschien ebenso wenig zur Eröffnung wie Vertreter_innen des Denkmalschutzamtes. Die Herren 'Afrika-Kämpfer' blieben unter sich, nicht eingeladene Gäste wurden erst gar nicht reingelassen.
 

Horst Junk, Vereinsvorsitzender des Kulturkreises Jenfeld, hielt eine Rede anlässlich der eigenmächtigen Eröffnung des 'Tansaniaparks' 2003.
 

 
 
Einen Tag vor der Eröffnung hatten Hamburger Nichtregierungsorganisationen vor verschlossenem Parktor gegen "die konzeptionell völlig ungenügende Präsentation der im Geiste des Kolonialismus und des Militarismus geschaffenen Nazi-Denkmäler" protestiert. 6) Sie hatten den Ort kurzerhand in 'Mohammed Hussein Bayume Park' umbenannt, in Erinnerung an den Askari, der als Kindersoldat in der deutsch-ostafrikanischen 'Schutztruppe' gedient hatte. 7) Er kam in den zwanziger Jahren nach Deutschland, um seinen ausstehenden Sold einzufordern. Seine 'Treue' wurde ihm zum Verhängnis: 1941 wurde er ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert, 1944 starb er dort. Noch am gleichen Tag ließ das Bezirksamt Wandsbek das Transparent mit dem Namenszug Mohamed Hussein Bayumes entfernen. In Berlin erinnert ein Stolperstein an sein Schicksal.
 
In der Folge riss die Kritik am 'Tansaniapark' nicht mehr ab, die Presse berichtete bundesweit. Dennoch ließ der schlüsselverwaltende Kulturkreis Jenfeld jahrelang zu, dass der 'Traditionsverband' und der 'Verband Deutsches Afrika-Korps 1941-1943' ihre Kränze vor Ort niederlegen durften. Proteste des Eine Welt Netzwerks, der 15 Stadtteilkulturzentren, des Arbeitskreises Hamburg Postkolonial sowie von Wissenschaftler_innen der Hamburger Universität, die anlässlich des hundertjährigen Gedenkens an den blutigen Maji-Maji-Krieg (1905-1907) die Anwesenheit der Kolonialrevisionisten vor Ort zu verhindern versuchten, wurden von den Stadtoberen ignoriert.
 

Oben: Symbolische Umbenennung als Protest.
Unten: Kränze des 'Traditionsverbands' und des 'Deutschen Afrika-Korps' im 'Tansaniapark' 2004. Kulturkreis Jenfeld teilte mit einer Notiz am Parktor mit, dass im Winter 2007/2008 keine Kranzniederlegungen stattfinden konnten.
 

 
 
2003 hatten Mitglieder des Arbeitskreises Hamburg Postkolonial Kontakt zum Denkmalschutzamt aufgenommen, um auf die bisher unbeachtet gebliebenen kolonialen Porträtreliefs an den Fassaden des 'Kleinen Exerzierplatzes' aufmerksam zu machen; bei einem Abriss für das geplante Neubaugebiet sollten diese nicht einfach mit dem Bauschutt entsorgt werden. In einem Vermerk 2005 empfahl dann das Denkmalschutzamt, das Ensemble als Denkmal zu erhalten. "Objekte aus der Zeit des Nationalsozialismus" sollten bewahrt werden, "denn mit ihrer Hilfe [kann] verdeutlicht werden, mit welchen Mitteln das NS-Regime versuchte, die Menschen zu indoktrinieren, sie für ihre Ideologien einzunehmen." 8) Aufgabe der Denkmalpflege sei es, "zu verhindern, dass Erinnerungen auch und gerade an die nationalsozialistische Zeit und an den Zweiten Weltkrieg vollständig aus unserem täglichen Blickfeld weggeräumt werden; vielmehr ist es notwendig, Objekte aus dem ganzen Spektrum des Bauschaffens der NS-Zeit zu erhalten, um die Erinnerungen an die Mechanismen und Werkzeuge der NS-Ideologie und an die gezielten Kriegsvorbereitungen wach zu halten." Dass das Ensemble 2003 räumlich zerstückelt wurde, wird in diesem Vermerk erwähnt, aber nicht problematisiert. 9)
 
 
Ein weißes Erinnerungsprojekt
 
Wegen der anhaltenden Kritik setzte Hamburgs Senat schließlich einen Beirat ein, der ein Erinnerungskonzept für den 'Tansaniapark' erarbeiten sollte. Die Fragen, die der 'Kleine Exerzierplatz' mit den sieben kolonialen Porträtreliefs und den Abbildern vom Kriegsgerät aufwirft, blieben weiterhin unbeantwortet. Die Beiratsmitglieder zerstritten sich, die kritischen Köpfe traten aus, am Ende tagten nur noch vier Mitglieder. Nach zehn Jahren lag dann ein Konzept - vielmehr eine Sammlung von über 30 Tafeltexten - vor, die vom Beirat lange geheim gehalten wurde. Die eurozentrischen Tafeltexte vermögen nicht zu überzeugen, ebenso wenig der neue Name 'Gedenkort Deutscher Kolonialismus in Afrika. Geschichtsgarten Deutschland ­ Tansania.' Soll hier des Kolonialismus gedacht werden - und wie - in einem 'Garten'? Gab es 'deutschen' Kolonialismus nur in Tansania (Tanganyika)? Kann Kolonialismus überhaupt national verstanden werden? Bis 2011 hatte die Stadt für die Planungen des 'Tansaniaparks'/ 'Geschichtsgartens' (Restaurierung, Auftrag für Gestaltungskonzept, Aktualisierung des Gestaltungskonzepts, Gartenpflege u.a.) bereits ca. EUR 70.000,-- ergebnislos ausgegeben.
 
Expert_innen aus den Geschichtswissenschaften, Afrikanistik und Kunst lehnten das Beiratspapier ab und entwickelten eigene konkrete Ideen, doch ihre Stellungnahmen stießen bei den städtischen Entscheidungsträgern auf taube Ohren. Zusammen mit Tansanier_innen luden sie zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit Tansanias am 9.12.2011 zu einer künstlerischen Performance im Park und auf dem Platz ein, doch sie wurden von der Polizei jäh unterbrochen. Mit der Pressekampagne 'Decolonize Hamburg - NOT ABOUT US WITHOUT US' 10) protestierten die Schwarze Community Hamburg, People of Colour und solidarische Initiativen gegen ausschließlich weiße Gremien, wie den Beirat und das Senatsprogramm 'Aufarbeitung des kolonialen Erbes'. 11) Schließlich nahm die Kulturbehörde Abstand vom Beiratsvorschlag.
 
Der Arbeitskreis Hamburg Postkolonial hat nicht nur Alternativvorschläge für das ehemalige Kasernengelände ausgearbeitet, sondern längst auch ein eigenes Positionspapier 12) herausgegeben. Darin wird gefordert, das auseinander gerissene Kolonialdenkmalensemble nach Denkmalschutzrichtlinien wieder zusammenzuführen - leider sind die ursprünglichen Postamente am Eingang zum 'Kleinen Exerzierplatz' vor einigen Wochen abgerissen worden. Zudem erwartet der Arbeitskreis von der Stadt die Einrichtung eines Runden Tisches "zur Erarbeitung eines wissenschaftlich und didaktisch fundierten postkolonialen Erinnerungskonzepts sowie zur Entwicklung eines Raumkonzepts, das dieses postkoloniale Erinnerungskonzept angemessen repräsentiert", vor allem sollen "migrantisch-diasporische Verbände und Netzwerke mit Afrikabezug sowie ExpertInnen aus Tansania" dazu eingeladen werden. Dies gilt umso mehr, hat sich doch der Senat 2014 eben zur 'Aufarbeitung des kolonialen Erbes' Hamburgs verpflichtet.
 
Statt nun die produktiven Kritiker_innen in Hamburg mit zu beteiligen, lud die Kulturbehörde den Geschichtswissenschaftler Professor Jürgen Zimmerer von der Universität Hamburg ein, Ideen für den Park zu entwickeln und Kontakt zu Hamburgs Partnerstadt Dar es Salaam aufzunehmen. Damit geht jetzt nach zwölf Jahren die zähe Debatte um den angemessenen Umgang mit dem 'Tansaniapark' in die zigste Runde.
 

Auf dem Modell des Neubaugebiets 'Jenfelder Au' lässt sich ablesen, dass der 'Tansaniapark'/'Geschichtsgarten' erhalten bleiben soll. Die blauen Pfeile markieren den ursprünglichen Standort der Reliefs des 'Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmals' am Eingang zum 'Kleinen Exerzierplatz'. (Photo: Jokinen)
 

 
 
Denkmalrezeptionen: zwei Reliefs, mehrere Interpretationen
 
Seit Jahren hält sich für das 'Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal 1914-1918' hartnäckig die Bezeichnung 'Askarireliefs'. Erfunden hat den neuen Namen der 'Traditionsverband' 1999 nach Abzug der Bundeswehr aus der Kaserne. 13) Zuweilen mutieren die Reliefs auch zu 'Askaridenkmälern' - beide schönfärberische Benennungen, die suggerieren, hier würden afrikanische Soldaten geehrt. Durch die neue Namensgebung fehlgeleitet schrieb der Beirat in seinem Papier, dass es überraschend sei, "dass im Nationalsozialismus den Askaris - Mitglieder einer durch die sogen. Nürnberger Rassengesetze als minderwertig eingestuften 'Rasse' - die Ehre einer Denkmalsetzung zuteil wurde, noch dazu mit einem Denkmal, das auf den ersten Blick den Eindruck einer großen soldatischen Eintracht vermittelt, mit der 'Schwarz' und 'Weiß' [sic] durch Deutsch-Ostafrika [sic] marschierten. Diese harmonisierende Geschichtsdarstellung verschleiert allerdings die historische Realität und die tatsächlichen Machtverhältnisse in den Kolonien..." 14)
 
In Wirklichkeit vermittelt das 'Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal' den Mythos der 'Treue der Askari', der glaubhaft machen sollte, dass die Schwarzen Soldaten sehnsüchtig auf eine Rückkehr der Deutschen warteten. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten die Siegermächte Deutschland 'Unfähigkeit' und besondere Grausamkeit bei der Verwaltung seiner Kolonien vorgeworfen; von deutscher Seite aus war dieser Vorwurf als 'Kolonialschuldlüge' zurückgewiesen worden. Die 'Kolonialbewegung' im NS-Staat träumte nun von einem 'Mittelafrika', das sich an der breitesten Stelle des Kontinents von West nach Ost strecken würde. Die behauptete unbedingte Loyalität der Askari - die mit Absicht gleichgesetzt wurden mit der kolonisierten Zivilbevölkerung - lieferte die Legitimation für die neuen Kolonialbestrebungen. So lässt "das Kriegerdenkmal... Assoziationen an abenteuerliche Safari-Romantik wach werden und erweckt den Eindruck großer Eintracht." 15) Doch selbst die Beziehungen zwischen den Schwarzen und weißen Soldaten in der 'Schutztruppe' gestalteten sich keineswegs solidarisch aus. Von 'Treue' zum unbekannten 'Mutterland' und zum deutschen Kaiser keine Spur - die Askari waren Berufssöldner, die im Ersten Weltkrieg zum Feind hinüber wechselten, sobald dies opportun erschien, etwa bei einer besseren Besoldung. Und wie sollte da 'Treue' und Waffenbruderschaft entstehen, wenn ihr Alltag geprägt war von rassistischen Anfeindungen? Prügelstrafen bei kleinsten Vergehen waren an der Tagesordnung, den afrikanischen Söldnern wurden Tapferkeitsmedaillen verweigert, Aufstiegschancen in die Offiziersränge waren kaum möglich, und die deutschen Soldaten hatten Anspruch auf einen höheren Sold. Im Vergleich zu den in Europa geführten Kriegen waren die Kolonialkriege äußerst brutal. Sie verletzten permanent das humanitäre Völkerrecht, das in der Haager Landkriegsordnung vereinbart worden war. Entsprechend waren Meutereien unter den Askari keine Seltenheit, und viele von ihnen desertierten. 16)
 

Links: Misstrauisch beäugen deutsche Krieger der 'Schutztruppe' den in Dienst genommenen Kolonisierten. Maximilian Bayers Jugendroman 'Okowi - ein Hererospion?' stellt 1910 die Frage nach der Zuverlässigkeit eines fiktiven 'Hererospähers', auf dessen Ortskenntnisse die Kolonialsoldaten angewiesen sind. Dieser erweist sich dann doch als durchweg 'treu' und dienstbar, genauso wie ihn die Befehlshaber haben wollten. Militärstrategisch war die Frage nach 'Treue' nach dem Verlust der deutschen Kolonien im Ersten Weltkrieg hinfällig. Nun bauten die kolonialrevisionistischen Kreise den Mythos aus und behaupteten schlichtweg, die unbedingte Loyalität aller afrikanischen 'Schutztruppen'angehörigen sei historisch verbürgt - dies ist die Botschaft auch der Jenfelder Reliefs von 1938. Entsprechend propagandistisch erschien Bayers Buch in der NS-Zeit unter dem suggestiv fragenden Titel 'Ist Okowi treu?'.
Rechts: Von "Taten und Abenteuer deutscher Jungen im wilden Pori" in der ehemaligen Kolonie 'Deutsch-Ostafrika' träumte Reinhard Roehle, als er 1921 seinen Jugendroman 'Auf großer Safari mit treuen Askari' schrieb.
1939 erschienen Wilhelm Dietendorfs Erzählung 'Ndongo, der treue Kamerunsoldat' und A. Schmidt-Saronas Jugendbuch 'Seliman, der treue Askari'.
 
 

Der Kriegsalltag sah anders aus als auf den Jenfelder Reliefs dargestellt: müde Askari und erschöpfte Träger im Ersten Weltkrieg in der Kolonie 'Deutsch-Ostafrika'.
 

 
 
Sind Abbildungen von Schwarzen Menschen in Europa so "durchaus ungewöhnlich", wie das Beiratspapier glaubhaft machen will? Seit der Barockmalerei sind Bilder bekannt, auf denen sich weiße Europäer_innen mit Schwarzen Dienerschaften porträtieren ließen; ihr Weißsein betonen sie zusätzlich mit Puder und Perücken. Solche rassistischen Kontrastierungen tauchen zuweilen noch heute in der Werbung auf.
 
Das wilhelminische Wissmann-Denkmalensemble, das 1909-1918 in Dar es Salaam und 1922-1968 vor der Universität Hamburg stand, zeigt einen Askari, der unten am Sockel steht und devot zu 'seinem' weißen 'Herrn' emporblickt; hier wird koloniale Hierarchie durch Höhenunterschiede, Blickrichtungen und Körpergrößen betont. 17) Denkmalentwürfe aus der Kaiserzeit zeigen, dass es keineswegs ungewöhnlich war, Schwarze und weiße Denkmalkörper zueinander zu setzen; der Grad der bildgewordenen kolonialen Gewalt variierte dabei je nachdem, ob gerade Krieg oder 'kolonialer Frieden' herrschte. 18) Im nationalsozialistischen 'Deutsch-Ostafrikaner-Ehrenmal' in Hamburg-Aumühle wiederholt sich das Jenfelder Bildprogramm im Singular: ein ausspähender Offizier, ein 'treuer' Askari und ein müder, aber 'opferwilliger' Träger.
 

Das Wissmann-Denkmalensemble mit der Figur des Askari am Hafentor im Rahmen des Kunstprojekts afrika-hamburg.de und das 'Ostafrikaner-Ehrenmal' in Hamburg-Aumühle (Photos: Jokinen)
 

Darstellungen von Schwarzen und weißen Körpern in Denkmälern:
Oben: Adolf Brütts Entwurf für Berlin. Hier wird der koloniale Frieden als ein ahistorisches Ideal nach antikem Vorbild dargestellt. Die Figuren der Kolonisierten am Sockel erscheinen lediglich als dienstbare Wesen, Naturreichtümer Afrikas darbietend.
Unten: Kurz nach dem Kolonialkrieg 1904-1908 in 'Deutsch-Südwestafrika' wurde ein Wettbewerb für ein Kriegerdenkmal in Windhoek ausgeschrieben, namhafte Bildhauer beteiligten sich. Diese Wettbewerbsbeiträge zeigen unverhohlene Allmachtsphantasien der deutschen Sieger.
Links die Einreichung von Otto Riesch: die Figur eines 'Schutztruppen'soldaten, der einen Afrikaner niederdrückt.
Rechts: im Modell des Bildhauers Hans Weddo von Glümer präsentiert sich ein deutscher Soldat in Siegerpose, unter seinem Pferd liegt ein getöteter Afrikaner. Die Figur eines Schwarzen, der vom Pferd des Siegers zertrampelt wird, findet sich auch in einem Entwurf Fritz Behns für ein Kolonialdenkmal in Berlin.
(Photos: Sammlung Joachim Zeller)
 
 

 
 
Auf dem rechts stehenden Jenfelder Relief schreiten die Schwarzen Söldner auf vermeintlich 'gleicher Augenhöhe' mit dem weißen Unteroffizier, was einige Rezensenten eben zu der Annahme fehlleitete, mit dem Denkmal würden die Askari geehrt. Ein zweiter Blick lohnt sich: die abgebildeten Afrikaner sind ganz auf der Linie der NS-Ideologie jeder Individualität beraubt, sie sind marschierende Masse und 'Kanonenfutter'. Die Kämpfer scheinen auf dem Rückzug zu sein; der weiße Unteroffizier schaut nach hinten zu seiner Truppe, noch mehr an ihnen vorbei zur verlorenen Kolonie 'Deutsch-Ostafrika' - "wir kommen wieder" hallt es hier entschieden nach.
 

(Photos: Jokinen)
 

 
 
Den Fuß auf die Kolonie setzen
 
Mit kleinen Gesten im Detail macht Bildhauer und 'Afrikakämpfer' Ruckteschell deutlich, worum es ihm und den Denkmalsetzern eigentlich ging: um koloniale Rückeroberung und Herrschaft. Der weiße Unteroffizier greift wie zur Unterstreichung seiner männlich-soldatischen Potenz das Gewehr zwischen seinen Beinen, die rechte Hand ist zu einer kämpferischen Faust geformt.
 
Auch macht die Anordnung der Füße die Hierarchien deutlich. Auf dem linken Relief gesellt sich der nackte Fuß des Trägers zum Stiefel des afrikanischen Soldaten und deutet damit ein gleichwertiges Nebeneinander an. Auf dem rechten Relief eine Machtdemonstration: der Stiefel des deutschen Offiziers tritt auf den Fuß eines der marschierenden Askari.
 
Der Dienst der - vielfach zwangsrekrutierten - Askari war erniedrigend, dies zeigen photographierte Szenen, in denen Afrikaner als Träger weißeuropäischer Körper zu dienen hatten: auf ihren Schultern mussten sie deutsche Soldaten durch Flüsse und unwegsames Gelände tragen. Ähnlich wurde die kolonisierte Bevölkerung zwangsverpflichtet, weiße Zivilisten in Sänften, Karren oder schlichtweg auf dem Rücken zu transportieren.
 

'Kamerunpionier' Hauptmann Kund fehlte es an Standvermögen.
Die Füße des Zahlmeisters Fritsch blieben trocken, die Askari trugen ihn durch Sümpfe.
 

Sich stützen, schultern, tragen und schieben lassen: Herrenmenschengehabe bei deutschen Soldaten und Zivilisten
 

 
 
Die Europäer machten sich die Kolonie untertan und garnierten ihre Eroberung mit allerlei geraubten 'Trophäen' und überheblichen Machtdemonstrationen. Eine frevelhafte Symbolik dachte sich 1912 Kolonialkaufmann Rudolf Oldenburg aus, als er seinen Fuß auf den mit Perlen reich verzierten Thron Mandu Yenu des legendären Bamoun-Sultans Seidou Njimoluh Njoya setzte, eine große Beleidigung für den kamerunischen König. Oldenburg ließ es sich nicht nehmen, diese Szene als Andenken photographisch festzuhalten. Dieses Bild machte die Runde, und nach jahrelangem Drängen durch die Kolonialmacht musste Njoya schließlich den begehrten Thron an den deutschen Kaiser 'verschenken' und sich mit einer Kopie begnügen. Der Originalthron steht im Berliner Ethnographischen Museum. Als Fingerzeig und Erinnerung an den ungehörigen Moment übergab der heutige Sultan Ibrahim Mbombo Njoya der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eine kleine Skulptur, welche die Szene von 1912 in Bronze gegossen wiedergibt; sie symbolisiert "die demonstrative Respektlosigkeit und Machtanmaßung der Weißen ..." 19) Die inszenierte Geste des kolonialen Fußes, der auf Menschen und ihre Kulturgüter, auf gejagte Tiere und Naturschönheiten tritt oder auf diesen lastet, ist ein hegemoniales Zeichen einer extremen Herablassung.
 

Koloniale Füße
Oben: Kaufmann Rudolf Oldenburg markierte mit seinem Fuß den Thron des kamerunischen Königs Njoya und weckte damit Begehrlichkeiten bei Trophäensammlern.
Mitte: Die Altoner Fabrik "Mohra" verarbeitete Kolonialwaren, auch Margarine aus Palmöl. Das Direktorium ließ sich ablichten, umrahmt von vermeintlichen 'Askari' in Uniform, die als Werbeträger für das Unternehmen arbeiteten. Als Zeichen seiner Machtposition setzt der Firmenchef in der Bildmitte seinen Fuß auf den Mann, der vor ihm liegt.
Unten: Großwildjäger mit festem Fußtritt auf seiner Beute.
Wie schmerzhaft noch heute der koloniale Fuß auf der Erinnerung der Menschen in Tansania lastet, zeigt eine Skulptur im Garten des Bagamoyo College of Arts (Photo: Jokinen 2004).
Perspektiven der Kolonisierten und ihrer Nachfahren fehlen im Jenfelder 'Tansaniapark' gänzlich.
 
 

 
 
Verschweigen die Jenfelder Denkmäler die Rollen, die Frauen und Kinder im Kolonialkrieg spielten, so fehlen diese auch im Beiratspapier. Ganz abgesehen davon, dass die Zivilbevölkerung im soldatischen Erinnerungsprogramm in Kasernen kaum eine Rolle spielen dürfte, müsste bei einem angemessenen Erinnerungskonzept zumindest der Kinder gedacht werden, die in der deutschen 'Schutztruppe' als 'Boys', 'Bambusen' oder 'Signalschüler' rekrutiert waren, wie Mohammed Hussein Bayume. Auch die Frauen der Askari waren als Trägerinnen direkt im Kriegsgeschehen involviert.
 

Oben: Frauen der Askari marschierten als Trägerinnen mit.
Unten: Kindersoldat: 'Signalschüler' in 'Schutztruppen'unifom.
An Frauen und Kinder im Krieg erinnern die Jenfelder Reliefs nicht.
 

 
 
Ein Konzept erst nach 20 Jahren Auseinandersetzung?
 
Das Denkmalschutzamt hebt die Besonderheit des Denkmalensembles hervor: "Den ehemaligen Eingangsbereich flankierten bis vor kurzer Zeit zwei Keramikstandbilder von Walter von Ruckteschell, auf denen die 'Deutsche Schutztruppe Ostafrika' dargestellt war... Die Lettow-Vorbeck-Kaserne gehört mit ihrem reichen Bauschmuck demnach zu den wenigen Beispielen in Deutschland, an denen anschaulich dokumentiert werden kann, wie mit Hilfe der bildenden Kunst nationalsozialistisches Gedankengut in die Köpfe der Soldaten transportiert und ihre Kampfbereitschaft gestärkt werden sollte. Insbesondere aus wissenschaftlichen Gründen ist die Lettow-Vorbeck-Kaserne daher von großem Interesse." 20)
 
Trotz dieses bemerkenswerten Bildprogramms sieht das Denkmalschutzamt in seinem Vermerk keinen zwingenden Grund, das vom Kulturkreis Jenfeld auseinandergerissene Denkmalensemble wieder zusammenzufügen, um dann in einem weiteren Schritt zu überlegen, wie erinnerungskulturell und räumlich angemessen damit umgegangen werden könnte. Dabei würde die Begutachtung des gesamten Ensembles mit Sicherheit zu anderen wissenschaftlichen Schlüssen führen, als es jetzt der Fall ist.
 
Zur Zeit entwickelt Jürgen Zimmerer mit den Studierenden der Geschichtswissenschaften Apps für den 'Tansaniapark'/'Geschichtsgarten'. Es darf zur Diskussion gestellt werden, ob Apps und Texttafeln allein - auch wenn sie wissenschaftlich fundiert sind - den Anforderungen an einen postkolonialen Erinnerungsort genügen. Apps können nur diejenigen Interessierten erreichen, die einen Smartphone besitzen, die Anderen bleiben vor den martialischen Denkmälern allein gelassen. Zudem kommt ein rein textbasiertes Konzept gegen die stark suggestive Bildsprache der NS-Reliefs nur bedingt an. Es bedarf zur Vermittlung historischer Fakten eben auch ästhetischer, künstlerischer und architektonischer Auseinandersetzung, um angemessene Erinnerungsräume zu schaffen. Warum also nicht tansanische Künstler_innen einladen, die aus der Perspektive der Kolonisierten und ihrer Nachfahren starke Gegenbilder schaffen?
 
Die tansanischen Partner_innen aus Museen, der Universität und Stadtverwaltung hatten bei einem Gespräch 2008 21) ihr Einverständnis für einen 'Tansaniapark' gegeben, vorausgesetzt, ihre Vorschläge würden berücksichtigt. So sollte vor Ort die "strong political and military organisation, e.g. Chief Horombo of Chagga, Mirambo of Unyamwezi and women involvement in leadership (female chiefs)" vorgestellt werden. Auch wurde gewünscht, auf dem Gelände ein Denkmal für Sultan Mkwawa zu errichten. Der Anführer, der in Tansania für seinen antikolonialen Kampf geehrt wird, hatte sich mit einer 3000 Mann starken Armee aus Wahehe-Soldaten erfolgreich gegen die deutschkoloniale Expansion gewehrt. Es gelang den Wahehe, das deutsche Bataillon zu überwältigen und den Kommandeur Emil von Zelewski zu töten. Drei Jahre später wurde Mkwawa in einen Hinterhalt getrieben, wo er durch eigene Hand starb. Sein Schädel, das exhumierte Skelett seines Vaters Munyigumba und der Schädel seines hingerichteten Bruders Mpangile wurden nach Berlin gebracht. Nach dem ersten Weltkrieg wurde Mkwawas Schädel restituiert und befindet sich heute im Mkwawa Gedächtnismuseum in Kalenga.
 
Diese und weitere Vorschläge der Expert_innen aus Dar es Salaam sind bisher ignoriert worden, und sie tauchen auch nicht im Beiratskonzept auf. Stattdessen findet sich der Terrakottakopf Emil von Zelewskis weiterhin unkommentiert an einer Fassade am 'Kleinen Exerzierplatz' in Jenfeld.
 

Oben: Sultan Mkwawas Schädel wird in einer Ehrenvitrine in Kalenga/Tansania
aufbewahrt.
Mitte: Etwas abseits von den übrigen Porträts der 'Kolonialhelden' am 'Kleinen Exerzierplatz' in Jenfeld findet sich Zelewskis Konterfei. Fiel es dem NS-Staat schwer, Zelewski zu feiern, weil er von den Kolonisierten besiegt und getötet wurde?
Unten: In Jenfeld wird auch Friedrich von Schele, Gouverneur von 'Deutsch-
Ostafrika' und 'Schutztruppen'kommandeur gewürdigt, der 1894 den antikolonialen Widerstand der Wahehe gewaltsam beendete.
(Photos mitte/unten: Jokinen)
 
 

 
 
Der aktuelle Bebauungsplan des Neubaugebiets 'Jenfelder Au' sieht vor, dass der Park bleiben soll, ebenso der denkmalgeschützte 'Kleine Exerzierplatz'. Die Studierenden der nahe gelegenen Bundeswehrhochschule sollen bis 2019 in dem Gebäudekomplex wohnen bleiben. Weder die Bundeswehrhochschule noch der Investor scheinen sich an den Abbildern der kolonialen Massenmörder über den Hauseingängen zu stören. Geplant ist nach 2019 der Einzug von Familien in die Kasernengebäude, ein erinnerungskulturelles Konzept für den kriegsverherrlichenden Fassadenschmuck existiert bis heute nicht.
 
Weiterhin werden auch die Stimmen der Black Community Hamburg und People of Colour ignoriert. Der Tansanier M.S. Mboro ist wütend: "Wer einen umzäunten Kleingarten mit Nazi-Kolonialdenkmälern als 'Tansania-Park' bezeichnet, ist respektlos und verhöhnt die zahlreichen Opfer des deutschen Kolonialregimes. Ich bin schockiert darüber, dass bis heute Häuser nach Kriegs- und Kolonialverbrechern wie Lettow-Vorbeck, Wissmann und Trotha benannt sind. Wie kann es sein, dass die 'Schutztruppenkommandeure' 'Deutsch-Ostafrikas' hier noch immer mit wuchtigen Terrakotta-Porträts geehrt werden?" 22)
 
Für den in Berlin lebenden Herero Israel Kaunatjike ist die Vorstellung unerträglich, dass das ehrende Reliefporträt des Völkermörders Trotha noch bis 2019 - 20 Jahre nach dem Abzug der Bundeswehr - ganz unkommentiert bleiben soll. Er betont, dass es für die Herero so ist, wie es für Juden wäre, würde eine Hitler-Büste öffentlich präsentiert. Mboro und Kaunatjike laden Publikum zu Performances in Jenfeld ein, um auf den Missstand aufmerksam zu machen.
 

M.S. Mboro, Israel Kaunatjike und Zaida Horstmann laden zu Performances in Jenfeld ein. (Photos: Jokinen)
 

 
 
Ein weiteres erinnerungskulturelles Debakel erwartet einen im Park: am 'Schutztruppen-Denkmal' - eine Stele mit Adler - sind fünf Plaketten angebracht in Würdigung der Kämpfer, die in den Kolonialkriegen der Deutschen in Afrika zu Tode kamen sowie der gefallenen Soldaten im 'Deutschen Afrika-Korps 1941-1943'. Auf der Tafel für die Kolonie 'Deutsch-Südwestafrika' (heute Namibia) ist die Stadt Lüderitz abgebildet sowie die vorgelagerte Haifischinsel, auf der die deutsche Kolonialmacht ein Konzentrationslager für die Herero und Nama betrieb. Viele der überlebenden Besiegten, entkräftet aus der Omahekewüste zurückkehrend, starben im rauen Klima der Insel, andere wurden von deutschen Plantagen- und Minenbesitzern zur Zwangsarbeit verpflichtet. Auf dieser hochsensiblen Landschaftsabbildung darf noch immer unkommentiert ein Eisernes Kreuz prangen als Symbol für den kolonialen Besitzanspruch.
 
Die Vorstellung, "der Krisenkontinent Afrika werde ohne die ordnende Hand des Europäers nie zur Ruhe kommen", lebt hier stillschweigend weiter. "Der Republik steht ihre mentale Dekolonisierung noch bevor. Die Debatte um den 'Tansania-Park', so zweifelhaft sie bisher gelaufen ist, kann dazu hoffentlich einen Anstoß geben", schrieb der Hamburger Experte für Kolonialgeschichte und Migrationspolitik Heiko Möhle vor elf Jahren. 23)
 

Oben: Auf den Terrakottaplaketten markieren Eiserne Kreuze den revisionistischen 'Besitzanspruch' der 'Kolonialbewegung' auf afrikanische Regionen. Die Abbildung des Kamerunbergs ist eine Referenz auf die riesigen Plantagen vor allem der Hamburgischen Handelsherren, das Kilimandscharo-Bild gemahnt an die fruchtbar Sehnsuchtslandschaft der Kolonisten in 'Deutsch-Ostafrika'. Diese Ansicht auf die Haifischinsel in der Lüderitzbucht/Namibia sollte - NS-ideologisch verbrämt - an die vernichtende Herrschaft zur Zeit des Völkermords an den Herero und Nama erinnern.
Unten: Lothar von Trotha gab den Genozidbefehl; sein ehrendes Porträtrelief findet sich, bis heute unkommentiert, am 'Kleinen Exerzierplatz'.
(Photos: Jokinen)
 
 

 
Links: documenta-Künstler Georges Adéagbo aus Benin stellt in seinen Materialassemblagen Beziehungen zu kolonialen Zeichen im Stadtraum her, wie in seiner Installation Inverted Space in einem Glaskubus auf dem Altonaer Balkon.
Rechts: Unter den vielen Objekten auch ein Bild, das einen Schwarzen Menschen zeigt, wie er ein Relief des 'Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmals‘ in Jenfeld betrachtet. Auf dem oberen Bild macht der Künstler auf das 'Trotha-Haus' aufmerksam mit dem Porträtrelief des Kommandanten, der den Befehl zum Völkermord an den Herero und Nama gab.
Adéagbo untersucht koloniale Orte, lichtet diese ab und lässt sie dann in Cotonou von einem der Werbemaler nachmalen. Solche Bilder kombiniert er mit Reliefs und Skulpturen aus den Holzwerkstätten in Benin sowie mit kolonialen Fundstücken von Flohmärkten in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Durch das Nebeneinander vieler Objekte entstehen komplexe postkoloniale Erzählräume.
Inverted Space im Rahmen des Sommerprogramms der Stadtkuratorin, in Kooperation mit Kulturforum Süd-Nord, Juni-Juli 2015 (www.stadtkuratorin-hamburg.de) (Photos: Jokinen)
 
 

 
 
 
 
1) Heiko Möhle: Kolonialismus und Erinnerungspolitik, In: Ludwig Gerhardt, Heiko Möhle, Jürgen Ossenbrügge, Wolfram Weiße (Hg.), Umbrüche in afrikanischen Gesellschaften und ihre Bewältigung, Sonderforschungsbereich 520, Universität Hamburg, 2006, S. 291
 
2) Verena Uka: Eine Geschichte "Derer wir uns nicht zu schämen haben". Auseinandersetzung in der Bundesrepublik um die koloniale Vergangenheit am Beispiel der Diskussion um den 'Tanzania-Park' in Hamburg, Magisterarbeit, Universität Hannover, Historisches Seminar, ohne Jahresangabe, S. 39
 
3) Ralf Küttelwesch: Skandal um Schutztruppen-Denkmal. Abgesagt und doch durchgeführt: die Einweihung des Tansania-Parks in Hamburg, Das Ostpreußenblatt/Preußische Allgemeine Zeitung, 20.9.2003, www.webarchiv-server.de/pin/archiv03/3803ob16.htm (18.7.2015)
 
4) Anke Schwarzer: Hanseatische Safari-Romantik, Publik Forum Heft 20/2003,
www.ankeschwarzer.com/post/11058993296/hanseatische-safari-romantik (18.7.2015)
 
5) Heiko Möhle: Deutscher Kolonialismus. Gedenken um zu vergessen - Vergangenheitspolitik am Beispiel des 'Tansania-Parks', Archiv 2004, www.archiv3.org/volltext_139837.htm (18.7.2015)
 
6) Presseerklärung des Eine Welt Netzwerks Hamburg und der GAL Wandsbek, 2.9.2003
 
7) HMJokinen: 'Tansaniapark' ­ Proteste, www.afrika-hamburg.de/proteste.html (18.7.2015);
s. auch Marianne Bechhaus-Gerst: Treu bis in den Tod. Von Deutsch-Ostafrika nach Sachsenhausen -
Eine Lebensgeschichte, 2007
 
8) Agnes Seemann, Denkmalschutzamt Hamburg: Denkmalwert der Lettow-Vorbeck-Kaserne,
K 432, 8.5.2005
 
9) Leider fokussiert der Vermerk des Denkmalschutzamtes vor allem die NS-Zeit; der kolonialrevisionistische Charakter der Denkmäler und die historische Kontinuität zwischen Kolonialismus und Nationalsozialismus sind hierbei weitgehend aus dem Sichtfeld geraten.
 
10) Pressemitteilung Decolonize Hamburg ­ NOT ABOUT US WITHOUT US des Arbeitskreises Hamburg Postkolonial, der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) und des Zentralrats der Afrikanischen Gemeinde in Deutschland, 1.2.2015,
www.hamburg-postkolonial.de/PDF/PM_NOTWITHOUTUS.pdf (18.7.2015)
 
11) Aufarbeitung des 'kolonialen Erbes' ­ Neustart in der Erinnerungskultur unter Einbeziehung der Partnerschaft mit Daressalam, Drucksache 20/12383, 8.7.2014,
hhpostkolonial.files.wordpress.com/2014/07/senatsbericht-koloniales-erbe2014.pdf (18.7.2015)
 
12) Arbeitskreis Hamburg Postkolonial: Forderungen zum Umgang mit den NS-Kolonialdenkmälern auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne in Hamburg-Jenfeld, November 2011,
www.hamburg-postkolonial.de/PDF/ForderAKPoKoJenfeld.pdf (18.7.2015)
 
13) Uka, a.a.O.
 
14) 3.3.2 Askari-Denkmäler: Kritische Interpretation/Symbolik, In: Kommentierende Informationstafeln im Gedenkort Deutscher Kolonialismus in Afrika, Geschichtsgarten Deutschland-Tansania, Konzeptpapier des Beirats vom 19.10.2012, S. 10
 
15) Schwarzer, a.a.O.
 
16) Verena Uka: Verklärung in Terrakotta. Die visuelle Botschaft der 'Askari-Reliefs', Archiv 2004, www.archiv3.org/volltext_139837.htm (18.7.2015)
Die Figuren der Askari erscheinen "nicht als selbstbewusste Krieger oder eigenständige Personen, sondern sind auf eine dienende und folgende Rolle reduziert... Eine Existenz als gleichwertige Bürger in der deutschen Gesellschaft - etwa als Afro-Deutsche - wird nicht thematisiert." Warum durften "ausgerechnet Afrikaner die für das Deutsche Reich so zentralen militaristischen Tugenden verkörpern" abgebildet sein? "Ganz einfach: Weil der auf das ferne Deutsch-Ostafrika bezogene Askari-Mythos nicht für Nähe steht, sondern für die Unmenschlichkeit der kolonialen und rassistischen Ideologie, die afrikanische Menschen auf Distanz zur deutschen Gesellschaft hielt und hält."
 
17) Über Askari und Träger im Kolonialkrieg s. HMJokinen, www.afrika-hamburg.de/denkmal2.html
sowie HMJokinen: Unschöne Nachbarschaften. Neue Straßennamen in kolonialer Tradition? Stadtteilkonferenz Hamburg-Jenfeld empfiehlt 'Askariweg' und 'Tansaniaring',
www.freedom-roads.de/pdf/unschoenenachbarschaften.pdf (18.7.2015)
 
18) HMJokinen: Schwarz-weiße Bildsymbolik. Das Hamburger Wissmann-Denkmal im Vergleich zu Entwürfen in der damaligen Zeit, www. afrika-hamburg.de/denkmal3.html (18.7.2015)
 
19) Preußischer Kulturbesitz?, www.no-humboldt21.de/information/preusischer-kulturbesitz (18.7.2015)
 
20) Seemann, a.a.O.
 
21) C. Saanane, E. Lucas: Protokoll History stakeholders meeting held at the Museum and House of Culture, Dar es Salaam, 1.4.2008
 
22) Pressemitteilung Polizeieinsatz gegen postkoloniale Kunstperformance in Hamburgs Lettow-Vorbeck-Kaserne, 15.12.2011, dem 50. Jahrestag der tansanischen Unabhängigkeit,
blog.derbraunemob.info/wp-content/uploads/2011/12/PMKasernenechos1.pdf (18.7.2015)
 
23) Heiko Möhle: Deutscher Kolonialismus, a.a.O.
 
 
 
 
Weiterführende Literatur:
 
Thomas Morlang: Askari und Fitafita. "Farbige" Söldner in den deutschen Kolonien, 2008
 
Uwe Schulte-Varendorff: Kolonialheld für Kaiser und Führer. General Lettow-Vorbeck. Eine Biographie, 2006
 
 

Willkommen _|_Projekt _|_Abstimmung_|_Debatte _|_ Webcam _|_ vor Ort _|_ Hamburg kolonial

Denkmal & Biografie | Denkmalsturz_| Kooperationen | Stichworte & Quellen | Kommentare | Dank

Impressum & Kontakt _| _Kulturkalender_ | 'Tanzaniapark‘ | _andere Kunstprojekte _|_ Disclaimer