Salpeter-Performance mit Felix, Lavdim, Miran, Patrick
vor der ehemaligen Salpeterfabrik Francke & Eger, Schlossstraße 22
 
Ernst Eger gründete mit Robert Francke die Harburger Salpeterfabrik.
Die acht Kinder von Eger erbten die Fabrik.
 
Hier ist der Palmspeicher, wo früher die Salpeterfabrik stand.
 
"Piqueros sind Männer,
die sich tiefer und tiefer graben,
wenn die Ader versiegt.
Fünfhundert Meter unter Tage,
hüfthoch im Wasser
schlägt sich der Piquero in den Felsen hinein."
 
Lavdim: Es steht ein Kontorhaus in Hamburg, das nach Chile benannt wurde.
Auf der Fassade sehe ich ein Schiff, auf dem Segel steht ein "S"  für den Salpeterbaron Sloman.
Ich sehe einen Pelikan mit einem großen Schnabel.
Ich sehe Minenarbeiter, Piqueros, die den Hahnentanz tanzen
und ich sehe das Wappentier, den großen Condor.
 
"Alle achtundvierzig Stunden nur
kann der er Hölle entfliehen.
Er bohrt in den Felsen, in die Dunkelheit,
in den Schlamm, in die Furchen des Bergwerks."
 
Miran: Am 9. Juli 1900 bricht ein Großfeuer aus, ich gehe an der Straße vorbei.
Die Ölfabrik Thörls explodiert, ich mittendrin, es brennt und raucht.
Nach einiger Zeit springt das Feuer zu der Salpeterfabrik Francke und Eger über.
1927 musste die Fabrik geschlossen werden. Heute wird Ernst Eger mit einer 1950
benannten Straße in Harburg gewürdigt.
 
"Antimon zerfraß seine Innereien.
Er wurde so mager,
dass man Angst bekam.
Die Beine zerlöchert,
konnte er kaum noch laufen.
Und er war so groß,
ein klappriger Geist,
der bittet, ohne zu betteln,
du weißt schon."*
 
Patrick: Ich betrete das kleine Krankenzimmer
mit den abgeblätterten Wänden.
Alte klapprige Eisenbetten
mit vielen Patienten und Medikamenten.
Unter dem Bett ein alter, abgenutzter Schuh.
 
* Zitat aus dem Gedicht "Maestro Huerta, von der Mine 'La Despreciada', Antofagasta",
In: Pablo Neruda: Der Große Gesang, 1950

 

Salpeter
 
Harburger Salpeterfabrik Francke & Eger
(Salpeter aus Chile), später Palmspeicher,
heute Bürogebäude
 
Hamburger Kolonialkaufleute wie Sloman, Fölsch und Ohlendorff gründeten mehrere Salpeterminen in der Atacama-Wüste in Nordchile. 1926 importierten die deutschen Unternehmen insgesamt zwei Millionen Tonnen Salpeter pro Jahr.
 
In den chilenischen Hafenstädten schwelgten die Handelsherren im Luxus - prunkvolle Theatergebäude und herrschaftliche Villen zeugen vom einstigen Glanz. In der Wüste schufteten die Ärmsten der armen Bevölkerung in den über 100 Salpeterminen zu katastrophalen Arbeitsbedingungen - rund 71.000 Wanderarbeiter_innen, mehrheitlich aus der indigenen Bevölkerung.
 
In der regen- und vegetationslosen Wüste ist das Klima hart, das Wasser knapp; die Arbeit war staubig und ging auf die Knochen. 1907 kam es zu ausgedehnten Streiks, die von Militärtruppen niedergeschlagen wurden und die in einem Blutbad, in Haft, Folter und Pressezensur endeten.
 
Chile war zwar keine Kolonie, doch die Herrschaftsstrukturen ähnelten sich. Die chilenische Regierung war vollständig abhängig von den ausländischen Konzernen, die diese nach Belieben absetzen konnten. Die chilenische Armee kämpfte in preußischen Uniformen. In der NS-Zeit sorgten die nazifizierten Deutschen in Chile mit ihren Aufmärschen für Unruhe. Der Diktator Pinochet nutze später die verlassenenen Salpeterminen in der Wüste als Lager für inhaftierte politische Oppositionelle.
 
Salpeter als natürlich vorkommendes Nitrat wurde als Dünger auf den Latifundien, den großen Landwirtschaftsflächen im Süden Chiles eingesetzt, ebenso zu Sprengstoff und Schießpulver verarbeitet. Schießpulver zählte neben Gewehren und Schnaps zu den wichtigsten Importartikeln in die deutschen Kolonien in Afrika, China und der Südsee.
 
Auch die Harburger Spediteure brachten 'das weiße Gold der Wüste' in die Fabriken. 1884/1885 gründeten Robert Francke und Ernst Eger die Harburger Salpeterfabrik in der Schlossstraße. 1900 brannte die Salpeterfabrik Francke & Eger nieder, wahrscheinlich griff das Feuer von der Ölfabrik Thörl hinüber.
 
Noch heute brechen immer wieder Großbrände in den Harburger Ölfabriken und Lagerhäusern aus, so 2012, als die Halle der Firma Cotterell in der Nartenstraße ausbrannte und ein giftiges Gemisch aus Heizöl, Kautschuk und Löschschaum umliegende Straßen und weite Teile des Hafenbeckens nachhaltig kontaminierte.
 
Nach dem Brand 1900 bauten Francke & Eger eine neue Salpeterfabrik in der Bahnhofstraße, heute Schellerdamm. Die Produktion wurde schließlich 1927 eingestellt, nachdem es gelungen war, Nitrat künstlich herzustellen. Einfuhr und Verarbeitung des Chilesalpeters war nicht mehr wirtschaftlich.
 
Konsul-Francke-Straße und Ernst-Eger-Straße (beide 1950) würdigen die Salpeterfabrikanten aus Harburg.